Date:Oktober 25, 2012

Mohammad
Denk-und Lebensweg einer Persönlichkeit

von K. S. Ramdrishna Rao 
Vorwort von Mohammad Razavi Rad

Institut für Human- und Islamwissenschaften

51 S. broschiert
Erschienen: 2012

ISBN: 3-937050-12-4

 

Leseprobe

Muhammad war besonders in den letzten Jahren vor seiner Auswanderung von Mekka nach Medina darum bemüht, seine göttliche Botschaft zu übermitteln. Es bedrückte ihn, dass viele Menschen seiner Botschaft kein Gehör schenken wollten, woraufhin Gott, zur Ermutigung seines Gesandten offenbarte:

„Und wenn es dein Herr gewollt hätte, gewiss hätten alle, die auf Erden sind, geglaubt – sie alle gemeinsam. Doch willst du die Menschen zwingen, damit sie Gläubige werden?““

Dieser Vers verbietet nicht, zum Islam aufzurufen und diesen zu verkünden, sondern er wendet sich offensichtlich dagegen, die Menschen zum Glauben zu zwingen. Darum lud der Prophet die Menschen ohne Zwang und Druck zum Islam ein. Gott spricht:

„Es gibt keinen Zwang in der Religion. Die Rechtleitung ist gegenüber dem Irrtum klar geworden. Wer also den Glauben an den Tāāūt  ablegt und an Gott glaubt, der ergreift die sicherste Stütze, für die es kein Zerbersten gibt. Und Gott ist hörend und allwissend.“

Aus diesem Grund ist es unmöglich, jemanden durch Gewalt von der Richtigkeit des Islam zu überzeugen. Gerade weil der Islam geistige und spirituelle Besonderheiten und Vorzüge besitzt, bietet er den Menschen hierin völlige Entscheidungsfreiheit. Niemand kann in dieser Sache über einen anderen Menschen verfügen oder bestimmen. Im Koran wird sogar gesagt, dass auch die Menschen, die nicht den Islam angenommen haben oder sich für irgendeinen anderen Glauben entschieden haben, an der alles umfassenden, göttlichen Barmherzigkeit teilhaben. Gott spricht:

„Jene, die glauben, und die Juden und die Christen und die Sabäer, die an Gott und den Jüngsten Tag glauben und gute Werke verrichten; ihnen wird bei ihrem Herrn ihr Lohn zuteil werden, und sie werden weder sich fürchten müssen noch traurig sein.“

Dieser Vers kommt im Koran noch ein weiteres Mal vor. Er hat die Aufmerksamkeit und Verwunderung derer auf sich gelenkt, die sich mit dem Islam beschäftigen. Denn dieser Vers verlangt von einem Menschen, der Muslim ist, dass er andere Menschen, die zwar keine Muslime sind, aber an Gott und den Jüngsten Tag glauben, respektiert und achtet. Trotzdem werfen diejenige, die sich mit dem Islam auseinandersetzen, ihm immer wieder vor, er sei nur durch das Schwert verbreitet worden. Dabei sollten es gerade diese aufgrund ihrer besonderen Kenntnis von der Mildherzigkeit der Muslime, die dem Beispiel ihres Propheten folgen, besser wissen.

Aber damit nicht genug: Denn dieselben bezichtigen die Muslime auch noch, fanatisch und engstirnig zu sein, weshalb sich hier die Frage stellt, ob sie nicht dazu in der Lage sind, zwischen Freiheit und Gewalt zu unterscheiden, oder ob diese beiden Begriffe für sie das Gleiche sind.

Es gibt aber auch aufrichtige Forscher, die von der Großzügigkeit und Mildherzigkeit der Muslime und ihrer Religion überzeugt sind. Für sie zählen diese Punkte zu den grundsätzlichen und unübersehbaren Merkmalen des Islam, weshalb sie nur noch mehr Respekt und Sympathie für den Islam gewinnen, wenn sie sich die Koran-Verse vor Augen führen, in denen die Muslime zu friedlichem Mit-und Nebeneinander mit Andersgläubigen aufgerufen werden.

Gedankenfreiheit stellt ein fundamentales Prinzip und eine grundlegende Besonderheit des islamischen Glaubens dar. Der Beweis hierfür ergibt sich aus Hunderten von Versen des Korans. Dort wird mit unterschiedlichen Formulierungen dem Nachdenken, dem Nachsinnen, dem Überlegen, dem Verstehen und dem Wissen ein hoher Stellenwert beigemessen. Wäre das Nachdenken über die wahre Beschaffenheit der Welt des Seins oder über die der inneren oder äußeren wesentlichen Welt und alle anderen Realitäten nicht frei und völlig uneingeschränkt, hätte Gott nie die Absicht gefasst, solche Gebote für das Nachdenken zu erlassen.

Nach der muslimischen Tradition erschuf Gott den Menschen als Statthalter auf Erden und wies ihm eine Rolle bei der Entwicklung und Gestaltung des Lebens auf diesem Planeten zu. Dafür gab er ihm den Verstand, welcher bei jedem Schritt und jeder Idee Gottes Beweis gegen ihn ist. Er stellte ihn über di e gesamte Schöpfung und verlieh ihm einen Vorzug vor vielen Dingen, die er erschaffen hat. Schließlich sandte er auf einige Einzelpersonen die Offenbarung herab, damit sie seine Botschaft allen Menschen überbringen konnten. Er forderte sie hierin zum Nachdenken auf, so dass sie aus ihren Gedanken Schlüsse ziehen können, wobei er das Nachdenken als den Weg betrachtet, der zur Erkenntnis führt. Er will, dass der Mensch durch dieses Nachdenken für seine Anschauungen, seine Zugehörigkeit und seine Bekenntnisse Verantwortung übernimmt. Deshalb gibt es für den Menschen absolut keine Rechtfertigung für jegliche Formen blinder Nachahmung von Ahnenkulten, absurden Traditionen sowie zufälligen Eigennützigkeit und egozentrischen Interessen.

Somit ist der Mensch in seiner geistigen Welt völlig befreit, und es gibt keinerlei Einschränkungen oder Grenzen, an denen er stehen bleiben müsste, außer in der verborgenen Welt, in welche er normalerweise keinen Einblick hat. Er beweist die philosophische Möglichkeit oder Notwendigkeit jener Welt zwar durch seine von Gott erhaltene Vernunft und erblickt sie vielleicht durch die Wahrheiten seines aufgeschlossenen und fest gegründeten Glaubens, jedoch kann er sie nicht mittels der Instrumente erfassen, mit denen er sich auch Kenntnis von den wesentlichen Besonderheiten der diesseitigen Welt verschafft. Der Koran bekräftigt, dies indem er sagt:

„Und sprich: Es ist die Wahrheit von eurem Herrn. Wer will, der soll glauben; und wer will, der soll leugnen.“


1 Vgl. Kor: 10 (Yūnus), 99.

2 Den G.tzen,, eigentlich alles Falsche, was vom Wege Gottes abh.lt.

3 Vgl. Kor: 2 (al-Bakara), 256.

4 Vgl. Kor: 2 (al-Bakara), 62.

5 Vgl. Kor: 5 (al-Mā’ida), 69.

6 Vgl. Kor: 18 (al-Kahf), 69.