Dr. M. Razavi Rad
Gott hat dem Menschen genau so viel verliehen, dass es ihm möglich ist, sich eine ausgeglichene und starke Persönlichkeit anzueignen. Er hat ihn den geraden und rechten Weg, zu Beständigkeit und Rechtleitung gewiesen, indem Er ihm alles offenbart hat, was Einfluss auf die Bildung einer menschlichen und gottergebenen Persönlichkeit hat. Dabei hat Er dem Menschen selbst die Wahl überlassen. So benutzt er den geliehenen Willen entweder dazu, den rechten oder aber den krummen Weg zu wählen.
إِنَّا هَدَيْنَاهُ السَّبِيلَ إِمَّا شَاكِرًا وَإِمَّا كَفُورًا
“Wahrlich, Wir leiteten ihn den Weg; entweder ist er dankbar, oder er ist undankbar.”
[Sure al-Insan (76), Vers 2]
Doch der Wille allein reicht nicht aus. Mehr noch, benötigt der Mensch einen genauen Plan, nach dem er sich im Umgang mit Gott mit sich selbst und im Umgang mit seiner Umgebung orientieren kann. Und genau das ist das Anliegen der islamischen Lehre. Der erste Schritt, den der Mensch im Islam macht, ist, dass er sein Verhältnis zu Gott erkennt, bestimmt und festigt. Diesbezüglich sagt der Koran:
فَأَمَّا الذِّينَ آمَنُوا بِاللهِ وَاعْتَصَمُوا بِهِ فَسَيُدْخِلُهُمْ فِي رَحْمَةٍ مِنْهُ وَفَضْلٍ وَيَهْدِيهِمْ إِلَيْهِ صِرَاطًا مُسْتَقِيمًا
“Diejenigen jedoch, die an Gott glauben, und an Ihm festhalten, die wird Er in ein Erbarmen von ihm führen und zu einem Vorzug, und Er leitet sie recht zu Ihm, auf einem geraden Weg.” [Sure an-Nisa' (4), Vers 175]
Und von Imam Ali heißt es, dass er sagte:
اَلْمَرْءُ بِإِيمَانِهِ
“Der Mensch ist (das, was er ist) durch seinen Glauben.” [Ghurar al-Hikam, Seite 15]
Und Imam as Sadiq sprach über die Worte Gottes:
هُوَ الّذِي أَنْزَلَ السَّكِينَةَ فِي قُلُوبِ الْمُؤْمِنِينَ: قَالَ هُوَ الإِيمَانُ. وَفِي قَوْلِهِ تَعَالَى: وَأَيَّدَهُمْ بِرُوحٍ مِنْهُ: قَالَ هُوَ الإِيمَانُ. وَفِي قَوْلِهِ تَعَالَى: وَأَلْزَمَهُمْ كَلِمَةَ التَّقْوَى: قَالَ هُوَ الإِيمَانُ
“Er ist es, Der den Seelenfrieden in die Herzen der Gläubigen herab sandte: “Dies eben ist der Glauben.”
Und über die Worte Gottes: “Und Er stärkte sie mit einem Geist von Ihm” sagte er: “Dies eben ist der Glaube.” Und über die Worte Gottes: “Und Er machte für sie das Wort der Ehrfurcht verbindlich.” sagte er: “Dies eben ist der Glaube.” [Usul al-Kafi, Band 2, Seite 13]
Das heißt, der Glaube ist das grundlegende und regelnde Fundament, auf dem das Gerüst der Persönlichkeit aufbaut. Aus diesem Grunde ist es das Verlangen und Bestreben des Islams, den Menschen im richtigen Glauben zu erziehen, um Menschen hervorzubringen, die die Botschaft Gottes bis ins Mark ihres Daseins und in allem, was sie tun oder lassen, leben und verkörpern. Der Islam verlangt darum vom Menschen, dass er mit sich selbst und mit den anderen Wesen aufrichtig und gerecht verfährt. Doch dafür braucht der Mensch Geduld und Standhaftigkeit. Und die findet er im Glauben:
وَلاَ تَهِنُوا وَلاَ تَحْزَنُوا وَأَنْتُمُ الأَعْلَوْنَ إِنْ كُنْتُمْ مُؤْمِنِينَ
“So verzagt nicht und betrübt euch nicht. Ihr seid die Höchsten, wenn ihr Gläubige seid.” [Sure Al 'Imran (3), Vers 139]
Der zweite Faktor ist das Handeln. Es besteht eine starke und feste Beziehung zwischen dem Glauben und der Tat. Der Glaube verlangt Taten, und der eigentliche Wert der Taten wird vom Glauben bestimmt. Imam Ali sagte:
اَلإَيمَانُ وَالْعَمَلُ أَخَوَانِ تَوْأَمَانِ رَفِيقَانِ لاَ يَفْتَرِقَانِ. لاَيَقْبَلُ اللهُ أَحَدَهُمَا إِلاَّ بِصَاحِبِهِ
“Der Glaube und die Tat sind zwei vertraute Zwillingsbrüder, die sich niemals trennen. Gott erkennt den einen nicht ohne den anderen an.”[Ghurar al-Hikam, Seite 55]
Und von Imam as Sadiq heißt es:
لَيْسَ الإِيمَانُ بِالتَّحَلِّي وَلاَ بِالتَّمَنِّي، وَلَكِنِ الإِيمَانُ مَا خَلَصَ فِي الْقُلُوبِ وَصَدَّقَتْهُ الأَعْمَالُ
“Der Glaube wird nicht durch Kleider und nicht durch Wünsche verwirklicht. Der Glaube ist vielmehr das, was in den Herzen an aufrichtiger Intention ist, und was die Taten, die darauf folgen, bestätigen.”
[Tuhaf al-'Uqul, Seite 272]
Davon ausgehend nun lässt sich sagen, dass, wann immer der Mensch ohne fest gründenden Glauben in die Öffentlichkeit, in den Vordergrund oder den Bereich des Handelns tritt, dieser nicht im Interesse des Islams und auch nicht wirklich für den Islam handelt sondern die Erfüllung seiner egoistischen und selbstsüchtigen Wünsche anstrebt.
Der dritte Faktor ist die umfassendere Kenntnis und die kulturelle Struktur der Person. Das Erlangen einer ausgeprägten Kenntnis, einer Bildung und eines kulturellen Anspruchs ist eine Selbstverständlichkeit. Dieser Faktor spielt im Leben des Menschen eine entscheidende, das Schicksal bestimmende und grundlegende Rolle, zumal die Persönlichkeit des Menschen, die dadurch mitbestimmt wird, den Menschen selbst ausmacht. Sie ist demnach kein Kleid, das er nach Lust und Laune ablegen kann.
Zusammengefasst gibt es in der Persönlichkeitsbildung des Menschen drei Hauptfaktoren: Glaube, Tat und Verständnis.
Quelle:
© Institut für Human- und Islamwissenschaften e.V.
Rationalität und Religion ISBN: 3-937050-17-5