Dr. M. Razavi Rad
Direktor des Instituts für Human- und Islamwissenschaften
Die Erinnerung an den zweiten Weltkrieg weckt zweifellos bei jedem Menschen ein unangenehmes Unbehagen aus. Der Ausbruch dieses Krieges liegt nunmehr 80 Jahre zurück. Umso wichtiger erscheint es über die Gräuel, Ursachen und verheerenden Auswirkungen dieses Weltkrieges nachzudenken. Und vor allem darüber nachzudenken, wie ein friedliches und glückliches gesellschaftliches Zusammenleben funktionieren kann. Was sind die Voraussetzungen dafür? Welche Hindernisse und Barrieren gibt es? Fragen die es gemeinsam zu stellen und gemeinsam zu beantworten gilt.
Wir erleben leider, dass heutzutage die Dialogkultur in unserer Gesellschaft immer weiter ausstirbt. Dies ist vermutlich auch einer der Gründe dafür, dass Menschen verschiedener Kulturen und Religionen immer weniger Kenntnis voneinander haben und in Folge dessen, dem Anschein nach, kaum mehr Verständnis füreinander besitzen.
Ohne richtige Kenntnis vom Anderen und der aufrichtigen Suche nach Verständnis, bleibt das Unbekannte unbekannt, die Distanz zueinander vergrößert sich immer weiter und bildet den Nährboden für Missverständnisse und Misstrauen. Kontakt und Dialog hingegen bilden die Grundlage, um einander kennen zu lernen und erzeugen die Atmosphäre für interreligiöse und interkulturelle Begegnung. Was aber bedeutet eine solche Begegnung? Sie beinhaltet eine Basis, die Menschen so wahrzunehmen, wie sie sind, und nicht wie wir sie haben wollen.
Interreligiöse und interkulturelle Begegnung bedeutet, dass jeder Mensch mit Würde behandelt werden muss, auch wenn er eine andere Denkweise als ich hat. Jeder Mensch ist heilig, unabhängig davon, ob er meiner Religion oder überhaupt einer Religion angehört.
Durch einen freundschaftlichen Dialog erhalten wir die Chance unsere Gesellschaft von Missverständnissen zu bereinigen und uns von den Barrieren, welche die Völker voneinander trennen, zu entledigen. Dieser direkte Kontakt zueinander fehlt jedoch leider heutzutage und man verlässt sich immer mehr auf die Berichte und Erlebnisse anderer. Deshalb ist es meiner Auffassung nach heute umso wichtiger, den unmittelbaren Kontakt zu andersdenkenden Menschen aufzubauen, ihn zu pflegen und aufrecht zu erhalten. Für diejenigen, welche lieben, gibt es nicht die voreilige Unterteilung in Moslems, Christen, Juden und Buddhisten.
Wenn wir eine friedlichere Welt gestalten möchten, benötigen wir diejenigen, die sich ihren Mitmenschen gegenüber verantwortlich fühlen Menschen, die ihre Freude mit anderen teilen und einsichtig sind. Nächstenliebe und Verantwortung sind im Islam untrennbare Bestandteile der Religiosität und zwar in einem Maße, dass niemand sie vernachlässigen oder vergessen darf. Verantwortungsbewusstsein ist demnach nicht nur eine moralische oder religiöse Verpflichtung, sondern es ist ein individuelles und soziales Erfordernis.
Mahatma Gandhi sagte:
„Eine menschliche Gesellschaft kann es nur geben, wenn diese von den Werten der Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit, Toleranz und der Nächstenliebe getragen und geordnet wird.“
Die Essenz des Menschen muss die Liebe sein und nicht Hass und Arroganz. Es gibt keine andere Lösung für den Frieden, als der direkte Kontakt und aufrichtige Dialog auf Augenhöhe. In diesem Sinne sollten möglichst viele Veranstaltungen durchgeführt werden, damit Menschen verschiedenster Religionen und Weltanschauungen zusammentreffen, um zum einen den Anderen besser zu verstehen und darüber hinaus sich einander lieben und schätzen zu lernen.
Der persische Dichter Hafez sagte:
„Überall ist das Haus der Liebe, ob Moschee, Kirche oder Synagoge.“
Quelle:
© Institut für Human- und Islamwissenschaften e.V.
Dialog - Zeitschrift für Interreligiöse und Interkulturelle Begegnung
Jahrgang 18 • Heft 34 & 35 • Jahr 2019