Title: Dialog – Zeitschrift für Interreligiöse und Interkulturelle Begegnung
[Jahrgang 11 - Heft 20 und 21 - 2012]
Mensch • Leben • Glückseligkeit
ISSN: 1619-3040
Schriftleitung
Mohammad Razavi Rad
Hamid Reza Yousefi
Herausgegeben vom
Institut für Human- und Islamwissenschaften
DIALOG ▪ Jg. 11 ▪ Nr. 20 und 21 ▪ 2012
Treichel, Dietmar und Claude‐ Hélène Mayer (Hrsg.): Lehrbuch Kultur. Lehr‐ und Lernmaterialien zur Vermittlung kultureller Kompetenzen, Münster: Waxmann‐ Verlag 2011, ISBN: 978‐ 3‐ 8309 ‐ 2531‐ 6, S. 416, € 29.90.
Das ›Lehrbuch Kultur‹ ist ein programmatischer Versuch, eine Reihe von Kulturtheorien aus unterschiedlichen Perspektiven heraus zu beleuchten und miteinander in Beziehung zu setzen. Die Theorien werden in all ihren Konvergenzen und Divergenzen beleuchtet, ohne einen bestimmten Kulturbegriff im Vorfeld zu favorisieren. Diese Variabilität ist gewollt und gekonnt umgesetzt. Zutreffend bezeichnen die Herausgeber das Lehrbuch »als Mosaik und die Beiträge als Puzzelsteine« oder wie es an anderer Stelle heißt, als »ein Angebot« (S. 13), das Einsteiger dazu motivieren soll, sich mit dem Thema ›Kultur‹ zu befassen. Diese Annäherung vollzieht sich in sieben Schritten, die aufeinander aufbauen: Theorien und Modelle zu der Frage, wie und wozu es Kulturen gibt, Perspektiven des Kulturbegriffs, Methoden der Kulturanalyse, Ressourcen kultureller Kompetenz, Techniken interkultureller Kommunikation, grundlegende Begriffe und Fragen nach interkulturellen Grenzen, Differenzen sowie transkulturellen Sinnsystemen. Diese Themenfelder bieten eine offene Einführung in die Kulturthematik. Das ›Lehrbuch Kultur‹ ist, trotz einiger thematischer Überschneidungen, eine kritische Korrektur und konstruktive Erweiterung sowohl europäisch‐westlicher und, wenn auch nicht signifikant, außereuropäischer Kulturtheorien.
Das ›Lehrbuch Kultur‹ ist nicht nur eine Einführung in unterschiedliche Transformationen des Kulturbegriffs, sondern es eignet sich hervorragend für das Selbststudium Dieses Kompendium bietet eine solide Grundlage für die Erstellung einer interkulturellen Begriffskonkordanz. Voraussetzung ist und bleibt aber, von einer einseitigen Kulturalität konsequent Abstand zu nehmen und von einem offenen Kulturbegriff auszugehen.
Hamid Reza Yousefi
Özdil, .zgür‐Ali: Islamische Theologie und Religionspädagogik in Europa, Stuttgart: Kohlhammer‐ Verlag 2011, ISBN: 978‐ 3‐17‐021936‐6340, S. 340, € 29,80 (Dissertationsschrift: Universität Hamburg 2009)
Der Autor Ali‐.zgür Özdil gehört zur jüngeren Generation islamischer Theologen in Deutschland, die ihr Hauptaugenmerk auf Bildung, Integration und Dialog der Religionen richten. Als Direktor des islamischen Wissenschafts‐ und Bildungsinstituts in Hamburg hat der Verfasser Theorieansätze und Praxiserfahrungen konkret miteinander verbunden. Zugleich ist es ihm aber wichtig, der islamischen Theologie in Deutschland eine eigenständige Stimme zu geben. Mit seiner hier nun auch einem größeren Leserkreis zugänglichen Dissertation zieht er eine Zwischenbilanz, die sich besonders auf islamische Studienmöglichkeiten für Religionslehrer/ innen, Theolog/innen und Imame in Europa bezieht, jedoch wichtige Theologische Fakultäten in Ägypten, Iran und der Türkei mit einbezieht. Konkretisiert und exemplifiziert wird dieser umfassende Durchgang durch Bildungsinstitutionen mit Interviews von Dozenten und Studierenden in folgenden Ländern: Ägypten, Iran, Türkei, Großbritannien, Spanien, Niederlande, Österreich, Frankreich und Norwegen, Belgien, Schweiz sowie Deutschland.
Bei einer solchen Untersuchung mit 13 einbezogenen Ländern ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass die teilweise verstärkte positive Entwicklung – auch im universitären Bereich – ›nur‹ einen Zwischenstand wiedergeben kann. Dieser ist allerdings für weitere Veränderungen wichtig, besonders – wenn er wie hier – gut dokumentiert ist. Damit lassen sich weitere Untersuchungen auf diese Forschungsarbeit aufbauen.
Entscheidend ist die von Özdil genannte Hauptintention der Arbeit, die darin liegt »die Islamischen Studien auf dem Gebiet des Islam in Europa und insbesondere hinsichtlich der wissenschaftlichen Verankerung des Islam auf Hochschulebene voranzutreiben« (S. 15). Nach Jahrzehnten der Einwanderung von Muslimen aus den verschiedenen Ländern der Türkei, des Nahen und Mittleren Ostens, Südasiens und Nordafrikas wird es immer dringender, dass angesichts des multikulturellen Spektrums und der unterschiedlichen Ausrichtungen des Islam die dadurch aufbrechenden Probleme und Herausforderungen gerade im Erziehungs‐ und Bildungsbereich endlich ernsthaft und konsequent angepackt werden. Die Frage, ob »der Islam zu Deutschland gehört«, mutet dabei wie eine politische Scheindebatte an, die die wahren Probleme und Veränderungsnotwendigkeiten in der Regel verschleiert. Muslime als Teil unserer Gesellschaft prägen diese mit. Das hat Auswirkungen für eine Praktische Islamische Theologie als Lebensorientierung, nötigt aber auch zur politischen Akzeptanz der Muslime als gleichberechtigte Bürger in den westlichen Gesellschaften (S. 244f). Dem ist vorbehaltlos zuzustimmen.
Reinhard Kiste
Broszinsky‐Schwabe, Edith: Interkulturelle Kommunikation. Missverständnisse – Verständigung, Wiesbaden: VSVerlag 2011, ISBN: 978‐3531‐ 17174‐6, S. 308, € 24.95.
Die Studie von Edith Broszinsky‐ Schwabe ist ein Versuch, Ursachen von Missverständnissen der Kommunikation in interkultureller Absicht zu analysieren. Ihr Ziel ist klar definiert, sie will faktisch den Nachweis führen, dass Kommunikation in interkultureller Absicht möglich ist. Dabei sieht sie diese »fest« verbunden mit der »Interkulturalität« (S. 19). Ausgehend von dieser Annahme unterteilt sie ihre Aufgabenstellung in zehn Kapitel und rundet ihre Studie mit einem Ausblick ab. Zur Darstellung kommen verschiedene Spielarten der Kommunikation, Identität und Kommunikation sowie Kultur und Kommunikation. Ferner behandelt die Autorin interkulturelle Missverständnisse, strukturelle Zusammenhänge von nonverbaler Kommunikation wie Gestik, Mimik usw., und den Stellenwert von Normen in der Kommunikation. Weiterhin wird die Bedeutung von Begrü.ungsritualen, Zeit‐ und Tempoverständnis in der Kommunikation thematisiert. Schließlich wendet sich die Autorin der Frage nach der sogenannten Fremdheit in solchen Kommunikationen und interkultureller Handlungskompetenz zu und zeigt, wie der Weg zur Kommunikation in interkultureller Absicht geebnet werden kann. In ihrem Ausblick sieht die Verfasserin ein Wechselverhältnis zwischen der kulturellen Globalisierung und interkultureller Kommunikation. Die Studie von Broszinsky‐ Schwabe ist ein systematischer Versuch, Zusammenhänge der Kommunikation in interkultureller Absicht verständlich zur Darstellung zu bringen. Ihre Beispiele sind gut ausgesucht und angemessen erklärt. Dieses anspruchsvolle Programm leidet aber unter einem leicht behebbaren Defizit. Die Ausführungen sind nur teilweise thematisch einheitlich, teilweise aber heterogen und kompilatorisch.
Die Autorin erwähnt zwar Begriffe wie ›Multikulturalität‹, ›Transkulturalität‹ und vor allem ›Interkulturalität‹, die sie mit der interkulturellen Kommunikation fest verbunden sieht, ohne sich aber mit diesen vergleichend auseinanderzusetzen und auf die bestehende Literatur zurückzugrei fen, oder wenigstens auf sie hinzuweisen.
Auf eine vergleichende Analyse der bestehenden Kulturtransformationen wird verzichtet, obschon die Autorin anmerkt, dass der zugrunde gelegte Kulturbegriff für die interkulturelle Kommunikation bestimmend ist. Eine solche Studie, in der begriffliche Schärfe und klare Gedankenführung grundlegend sind, würde die Lernenden verunsichern. Zu hoffen bleibt, dass die Autorin bei einer zweiten Auflage die aufgezeigten Lücken schließen wird, um aus ihren guten Ansätzen eine heterogene Einheit entstehen zu lassen.
Hamid Reza Yousefi
Figl, Johann: Philosophie und Religionen. Pluralismus und Religionskritik im Kontext europäischen Denkens, Paderborn, Paderborn: Ferdinand Schöningh‐Verlag 2012, ISBN: 978‐3‐506‐72448‐9, S. 308, € 36.‐ 90.
Religionswissenschaft und Religionsphilosophie gehören zwar zwei unterschiedlichen Sphären an, weisen aber eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf. Bei beiden gehören die Pluralität der Religionen sowie Religionskritik und Säkularität zum zentralen Gegenstand.
In diesen Kontext ist die Studie ›Philosophie der Religionen‹ von Johann Figl zu stellen. Er verfolgt das Ziel, die wesentlichen Ansätze der Religionsphilosophie in der europäischen Geistesgeschichte paradigmatisch zur Darstellung zu bringen, die diese Pluralität der Religionen und Religionskritik in den Mittelpunkt ihrer Interessen gerückt haben. Der Verfasser sieht das eigentliche Ziel seines Vorhabens in der konzeptionellen Thematisierung der Religionen in ihrer Vielfalt. Dies ist ein Grund, warum er immer die Religionswissenschaft und die Religionsphilosophie verbunden sieht, ohne ihre Grenzen zu verwässern.
Die Studie nähert sich dem Thema in vier Teilen mit zwölf Kapiteln an. Bei der Frage nach dem Wesen des Göttlichen und der Religionskritik im polytheistischen Kontext diskutiert er im ersten Teil das Göttliche als Anfangs‐ und Einheitsprinzip, Atheismusvorwurf und metaphysische Gotteslehre, philosophische Gottesvorstellungen und Weisheitslehren als Antworten auf die Pluralität der Religionen. Im Kontext religiöser Pluralität und der Gottesfrage des Monotheismus analysiert er den christlichen Monotheismus angesichts des Atheismusvorwurfs und des Polytheismus in der Antike, Dialog und Apologetik der abrahamischen Religionen, universaltheistische Interpretationen der Religionsvielfalt und Theismuskritik. Die Deutung der Religionen im systematisch‐philosophischen und atheistischen Kontext bilden das Thema des dritten Teiles. Hier behandelt er die Grundlegung der Religionsphilosophie und die nichtchristlichen Religionen sowie die Religionskritik des klassischen Atheismus. Thema des letzten Teils ist die Religionsphilosophie im pluralistischen und säkularistischen Kontext, wobei sich der Autor hier auf die Entwicklungen ab Ende des 19. bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts konzentriert. Zentral sind hier die Fragen nach Religionsphilosophie angesichts des Atheismus und der geschichtlichen Religionen, nach Tendenzen der neueren Religionskritik und Religionsphilosophie sowie die Philosophie der Religionen angesichts religiöser und areligiöser Tendenzen.
Die Studie ist sehr dicht, faktengesättigt und stringent aufgebaut. Dem Verfasser ist eine geschichtliche und gegenwärtige Thematisierung der religionsphilosophischen Fragestellungen in Korrelation mit religionswissenschaftlich relevanten Überlegungen in Geschichte und Gegenwart gelungen. Methodologisch gekonnt löst er sein Versprechen ein, die Vielfalt der Religionen und Religiositäten in ihrer Tiefe und Breite herauszuarbeiten. Insofern ist diese Studie eine fundierte Grundlage weiterer Forschungen auf den Themenfeldern der Religionsphilosophie und Religionswissenschaft im 21. Jahrhundert.
Hamid Reza Yousefi
Gerdsen, Peter: Das moralische Kostüm geistiger Herrschaft. Wie unter dem Deckmantel der Moral Macht ausgeübt wird, Nordhausen: Bautz Verlag, 2012, ISBN 978‐3‐ 88309‐700‐8, S. 120, € 15.
Die Studie diskutiert, wie sich die Herrschaftsformen im Laufe der Geschichte veränderten: Von der Herrschaft durch physische Gewalt, über seelische Herrschaft durch moralischen Druck bis hin zur geistigen Herrschaft mittels Bemächtigung des Denkens der Menschen. Der Autor bringt zur Darstellung, wie Moral missbraucht werden kann.
Das erste Kapitel ›Strukturen, Funktionen und Aufgaben geistiger Herrschaft‹ führt in das Thema ein. Hier werden unter anderem Möglichkeiten, hierarchische Strukturen sowie Sinn und Bedeutung von Weltherrschaft unter verschiedenen Aspekten untersucht. Das Folgekapitel ›Theoretische und praktische Grundlegung geistiger Herrschaft‹ zeigt ein systematisches Instrumentarium der Herrschaft. Zur Darstellung kommen hier vor allem handlungsleitenden und bewusstseinsführenden Begriffe über Strategien zu einer Reihe von Fallbeispielen.
Die Offenkundigkeit geistiger Herrschaft wird nach Gerdsen nicht nur durch moralische Ummantelung versteckt, sondern auch durch die ›Demokratie als Fassade‹ im Zusammenwirken mit den Medien, die zugleich Bestandteil des Herrschaftsinstrumentariums sind. Dies bringt er im dritten Kapitel ›Fassaden geistiger Herrschaft: ein mediendemokratisches Modell?‹ zur Darstellung.
Während die ersten drei Kapitel aus kultursoziologischer Sicht dargestellt werden, folgt das letzte Kapitel ›Mensch und Kultur im Kreise der Religion‹ einer religionssoziologischen Argumentation, indem es die Frage diskutiert, wie durch den Verlust der Religion und damit jeglicher Transzendenz eine Veränderung des Bewusstseins und der Denkstrukturen erfolgt, welche erst die Voraussetzung für geistige Herrschaft schafft.
Hermann‐Josef Scheidgen
Geleitwort der Zeitschrift
Einleitung
Mohammad Razavi Rad
Dimensionen der Glückseligkeit
Khola Maryam Hübsch
Der Sinn des Lebens. Eine theologische Betrachtung
Wolfgang Gantke
Der Sinn des Lebens. Eine religionswissenschaftliche Betrachtung
Bernd Vowinkel
Der Sinn des Lebens. Eine wissenschaftliche Betrachtung
Hamid Reza Yousefi
Glück und Freundschaft im Denken des Aristoteles
Abdoldjavad Falaturi
Die Stellung der Frau im Islam
Udo Tworuschka
Abdoldjavad Falaturi: Ein Wanderer zwischen den Kulturen
Ahmed Ginaidi
Heiliger Krieg‹ – was ist das?
Buchbesprechungen
Herausgeber, Beirat, Autorinnen und Autoren